... oder alles wird gut
Wie jedes Jahr zur Adventszeit stand ich auf der Terrasse und schaute unseren Weihnachtsbaum an. Seit zwanzig Jahren steht er dort und hat uns viel Freude bereitet. Kurz vor Weihnachten schmücken wir ihn mit elektrischen Kerzen. Dann strahlt er über die ganze Terrasse hinweg und leuchtet bis ins Wohnzimmer hinein. Eine schöne Koreatanne, die im Frühjahr ganz viele blaue Zapfen bekommt, herrlich anzuschauen im Kontrast zu den kräftig grünen Tannenzweigen. Jetzt war sie zu groß geworden, selbst die überlange Kerzenkette hatte letztes Weihnachten nicht mehr gereicht. Zudem drückten die starken Äste schon gegen das Glasdach.
Doch unseren Weihnachtsbaum einfach zu fällen, das fiel mir schwer. Gerne hätte ich es wieder einmal aufs nächste Jahr verschoben. Schließlich hatte er uns viele Jahre mit seiner Anwesenheit verwöhnt. Im Frühjahr leuchtete sein frisches Grün, im Sommer spendete er Schatten und schützte uns vor neugierigen Blicken, im Herbst hielt er den Wind ab und im Winter bot er Schutz vor Frost und Kälte. Aber nicht nur wir, sondern viele andere Erdbewohner wussten ihn zu schätzen. Die Finken fraßen im Winter bei bitterer Kälte die Samen aus den Zapfen. Und was herunterfiel, darüber freuten sich die Mäuse und schlugen sich ihrerseits die Bäuche voll. Auch die Buchfinken hatten einen Narren an der Tanne gefressen und bauten ihr Nest hinein. Das fröhliche Zwitschern und Zetern der Jungen, die putzmunter herausschauten, war auf der Terrasse deutlich zu hören.
Und jetzt, sollte er weg, dieser mächtige, wunderschön verzweigte Weihnachtsbaum? Am nächsten Morgen war es so weit. Schweren Herzens kappte ich die ausladenden Äste und dann die Spitze. Das Herz des Baumes, die Wurzel, sträubte sich vehement, bis sie sich ihrem Schicksal ergab. Glücklicherweise war es kurz vor Advent und meine liebe Frau Karin, flocht aus den Tannenzweigen drei wunderschöne Adventskränze. Einer zierte die Haustür, einer stand auf dem Esstisch und einen weiteren nahmen wir unserer Mutter in die Rehaklinik mit, die sich riesig darüber freute.
Die anderen voll benadelten Äste, eigentlich zu schade, um sie wegzuschmeißen, schichteten wir am Gartenzaun auf. Am nächsten Tag holte sie der Gärtner Thomas ab: „Die werden zu Ostern verbrannt“ meinte er lakonisch. So, dass war’s jetzt, dachte ich, dieses Kapitel ist nun endlich abgeschlossen. Noch schnell einen neuen kleinen Weihnachtsbaum eingepflanzt und Weihnachten kann kommen. Aber weit gefehlt, wie sich später herausstellte.
Es war Donnerstag, der 20. Dezember, ich saß gerade am Schreibtisch, als das Telefon klingelte. „Hier ist Thomas, grüß dich Jürgen, ein frohes Weihnachtsfest wollte ich dir und deiner Familie wünschen. Ach, übrigens, ich muss dir erzählen, was aus deinen Tannenzweigen geworden ist. Eigentlich hatte ich ja vor, sie zu verbrennen, aber dann plagte mich doch das schlechte Gewissen, schließlich haben solch edle Tannenzweige etwas Besseres verdient.“ „Und dann war er da, der gute Gedanke“, erzählte mir Thomas, „er heißt Herta! Ich kenne sie schon länger und weiß, dass sie sich immer wieder für gute Zwecke einsetzt - vielleicht konnte sie die Tannenzweige gebrauchen“, erzählte Thomas weiter. „Und wahrhaftig, schnell war sie Feuer und Flamme und ich brachte ihr die Tannenzweige vorbei.“ „Daraus können wir schöne Adventskränze flechten und sie für einen guten Zweck verkaufen“, hatte Herta begeistert gerufen.
So geschah es dann auch! Viele Adventskränze fanden ein schönes zu Hause und strahlten nun bis Weihnachten anheimelndes Kerzenlicht aus. Irgendwie war das für mich, aber auch für Thomas, ich merkte es selbst durchs Telefon, eine sehr bewegende Geschichte, die uns da widerfuhr. Thomas hatte auch einen dieser Adventskränze geschenkt bekommen und sich sehr darüber gefreut. „Seit Jahren wieder der erste“, verriet er mir glücklich. Und dass zum guten Schluss der Verkaufserlös der Aktion auch noch zu strahlenden Kindergesichtern führte, das ließ selbst uns die Augen feucht werden.
So hatte dieser Weihnachtsbaum etwas erreicht, was uns Menschen oft schwerfällt. Er hat den Menschen und anderen Erdbewohnern im Leben und selbst danach sehr viel Freude bereitet. So geschehen in Nottuln, zu Weihnachten 2007.
Übrigens haben wir, wie bereits angemerkt, an gleicher Stelle einen neuen Weihnachtsbaum gepflanzt, der über die Jahre schon wieder eine stattliche Höhe erreicht hat. Auf einen eigenen Weihnachtsbaum in der Wohnung verzichten wir allerdings und stellen anstatt dessen seit vielen Jahren eine Pyramide auf. Das Grundgestell stammt aus der Behindertenwerkstatt in Bethel, die geschnitzten Figuren haben wir über viele Jahre hinweg auf Weihnachtsmärkten und in Münster erworben.
Auf dem Bild links unten ist "unsere" Mutter mit Mister Fips zu sehen, beide sind inzwischen leider verstorben. Wir hoffen, dass sie irgendwo dort oben wieder so herzlich vereint zusammensitzen und zufrieden auf uns herunterschauen - trotzdem, sie fehlen uns sehr ...
© Jürgen Gerhard, Nottuln im Dezember 2022
Wir, Karin und Jürgen Gerhard von der Redaktion und Sir Trusty, wünschen Ihnen und Ihrer Familie ein schöne Adventszeit und ein frohes, friedliches Weihnachtsfest
Antoni- und Martinibrüder feiern gemeinsames Schützenfest
Ein sonniges, wunderschönes Wochenende sollte es werden, so hatten es sich die Schützenbrüder und alle Nottulner gewünscht. Und diese Wünsche wurden im Himmel erhört: Petrus schaffte alle Voraussetzungen dafür - die Sonne lachte das ganze Wochenende vom Himmel herunter und sorgte für Kaiserwetter!
Und um den "Rest" kümmerte sich das hervorragende Nottulner Organisationteam der Antoni- und der Martinibruderschaft. Viele Hände schmückten den Ort und den Aufmarschweg zur Vogelstange und sorgten für einen reibungslosen Ablauf. Als am Samstag die erste Kutsche aus dem Dorf über den Buckenkamp zur Vogelstange rollte, winkten gleich acht Hände den am Straßenrand stehenden Zuschauern freundlich zu. Diese gehörten dem alten Kaiser Heinz-Otto Mannwald, dem Antoni-Direktor Michael Sendes, der gemeindlichen Obrigkeit, Bürgermeister Dr. Dietmar Thönnes und der kirchlichen Obrigkeit, Pfarrdechant Norbert Caßens.
Ein neuer Kaiser besteigt den Thron
Bereits um 16.40 Uhr, nach dem 135. Schuss, übergab an der Vogelstange der alte Kaiser Heinz-Otto Mannwald die Kaiserwürde der Antonibruderschaft an seinen Nachfolger Günter Küdde. Zwölfeinhalb Jahre wird nun der neue Kaiser mit seiner Mitregentin und Ehefrau Ingrid das kaiserliche Amt bekleiden. Unter dem Jubel der Antoni-, und der Martinibruderschaft, der Schützenvereine Appelhülsen, Schapdetten und Gemütlichkeit Stevern sowie der Magdalenenbruderschaft Darup ließen die Schützen sie fröhlich hochleben.
Gleich zwei neue Königspaare
Die gute Stimmung setzte sich am Sonntag fort, als an der Vogelstange das doppelte Königsschießen begann. Bereits um 13.43 Uhr holte Antonibruder Ingo Jacob unter dem lauten Jubel der Schützenbrüder und Zuschauer mit einem gezielten Schuss den Vogel herunter. Mit seiner Mitregentin, der Königin Dorothee Kruse Jacob, freute er sich riesig über die Königswürde, die sie nun gemeinsam für mindestens ein Jahr ausüben dürfen.
Nach 94 Schüssen war es dann auch für die Martinibruderschaft soweit, die dreijährige Amtszeit von Lars Hünteler und Alexandra Schulze Kalthoff hatte ein Ende. Der neue König der Martini-Bruderschaft Paul Enseling wurde schon an der Vogelstange ausgiebig gefeiert. Zur Seite steht ihm seine auserwählte Königin Celina Middendorf.
Im Anschluss der abendlichen Polonaise durch das Dorf wurde nach zwei Jahren koronabedingter Abstinenz besonders ausgiebig im Festzelt gefeiert.
Mit der unten stehenden Bilder-Galerie können Sie das wunderbare Schützenfest noch einmal Revue passieren lassen, insbesondere diejenigen, die aus irgendwelchen, zum Beispiel gesundheitlichen Gründen nicht daran teilnehmen konnten. Wir wünschen Ihnen dabei viel Freude und bleiben oder werden Sie bitte gesund.
Karin und Jürgen Gerhard
Stand 15.06.2022
Der Jüdische Friedhof hat jetzt einen Namen
Wenn wir am jüdischen Friedhof vorbeikommen, schweift unser Blick über die Hecke zum schmiedeeisernen Eingangstor. Rechts und links daneben stehen gemauerte Pfeiler. Was sich dahinter verbirgt, erschließt sich einem nicht gleich, es sei denn, man geht in die dahinterliegende Wohnanlage und bekommt einen etwas höheren Standort. Ansonsten umschließt den Friedhof eine Hecke.
Im zeitigen Frühjahr des Jahres 2020 begannen wir einen Bildband über Nottuln zu schreiben und zu gestalten. Der jüdische Friedhof sollte dort ebenfalls einen Platz bekommen. Umso mehr wir uns damit beschäftigten, verfestigte sich unsere Idee, den jüdischen Friedhof in Nottuln, der übrigens seit 1990 unter Denkmalschutz steht, mit einer Bronzetafel auszustatten. Ein Jeder sollte erkennen, dass sich an diesem Ort bereits seit circa 1700 ein jüdischer Friedhof befindet.
Wir setzten uns mit dem Landesverband der jüdischen Gemeinden von Westfalen-Lippe in Verbindung und bekamen dessen Befürwortung für das Projekt. Auch unserem Bürgermeister Dr. Dietmar Thönnes, als Vertreter der Gemeinde Nottuln stellten wir unsere Idee mit eigener Kostenübernahme vor, er bedankte sich für unser Engagement. Nachdem alle zugestimmt hatten, entwarfen wir eine Grafik zur Bronzetafel und ließen diese in einer Kunstgießerei nach Begutachtung der Beteiligten gießen. Das Ergebnis gefiel allen sehr gut.
Mit Hilfe der Wasserwerker der Gemeinde Nottuln bekam die Bronzetafel im Dezember 2021 ihren Platz am Eingang des jüdischen Friedhofs. Die Aufschrift „Beth Hachajim“ ist hebräisch und bedeutet "Haus des Lebens". Wir fanden diesen Namen sehr passend, sind doch sonst mit einem Friedhof Begriffe wie Tod und Trauer verbunden. Im jüdischen Glauben spielt - wie auch im Christentum - die Auferstehung der Toten und damit der Friedhof eine gewichtige Rolle. Ein weiterer hebräischer Name hierfür »Beth Olam« Haus der Ewigkeit, deutet darauf hin, dass verstorbene Juden nach dem Verständnis der Gläubigen in ihren Gräbern ewige Ruherechte haben.
Das Leben und Leiden der Juden in Nottuln...
Das tägliche Leben der Juden im Dorf Nottuln war auch vor der NS-Zeit nicht immer einfach, doch verstanden sie es, sich mit ihrer Arbeit in das übrige wirtschaftliche Umfeld zu integrieren. In der Regel waren sie als Kaufleute oder Händler tätig, so auch die beiden Familien Lippers und Gerson. Mit den Nachbarn lebten sie friedlich zusammen und waren in das dörfliche Leben eingebunden.
All das änderte sich 1933, als Adolf Hitler an die Macht kam. In Nottuln ernannte man ihn - wie auch in anderen Gemeinden - zum Ehrenbürger. Damit begann ein unerträglicher Leidensweg der Juden in Deutschland. Nach einem Beschluss des Gemeinderates durften sie bereits ab 1935 in Nottuln nicht mehr zuziehen oder Grundbesitz erwerben. Während des Novemberpogroms im Jahre 1938 schlugen einige Nottulner Bürger die Scheiben des Geschäftes der Familie Lippers ein, ohne Rücksicht auf anwesende Kinder zu nehmen. Später wurden die dort wohnenden Juden deportiert und in Konzentrationslagern barbarisch umgebracht. Da half selbst die vorherige Flucht nach Holland nicht, auch dort erreichte und verhaftete man sie.
Jeder Stein hat sein eigenes Schicksal ...
Heute erinnern die Stolpersteine des Kölner Künstlers Gunter Demnig, der sie auf dem Fußweg vor dem ehemaligen Wohn- und Geschäftshaus der Familie Lippers, am Stiftsplatz 4, im Jahre 2005 installiert hat, an die Opfer der NS-Zeit.
Mittlerweile stehen circa 75.000 Stolpersteine in 1.265 deutschen Kommunen und 24 Staaten Europas. Somit handelt es sich wohl um das größte dezentrale Mahnmal der Welt.
Ein Mahnmal gegen das Vergessen und Wegschauen.
Artikel ergänzt am 15.02.2022