Blickpunkt Nottuln
16.05.2024
Blickpunkt Nottuln

"Finde dein Licht"

Gestern Abend fand in der spätgotischen Hallenkirche St. Martinus ein absolut hörens- und sehenswertes Konzert des Sinfonischen Blasorchesters Nottuln statt. Die musikalische Leitung hatte Dirigent Norbert Fabritius, der zusammen mit seinen sinfonischen Musikerinnen und Musikern für ein äußerst bemerkenswertes Musikerlebnis sorgte. Viele Musikfreunde aus Nottuln und Umgebung hatten es wohl geahnt, denn die Kirche war bis auf den letzten Platz gefüllt.

Das Konzert fand im Rahmen einer Veranstaltungsreihe der Klosterlandschaft Westfalen-Lippe unter dem Motto "Finde dein Licht" 2024 statt. Alle Akteure haben eines gemeinsam, sie wollen die außergewöhnlichen Orte in dieser Region ins öffentliche Licht rücken und besonders sichtbar machen. Und das ist ihnen heute Abend in der wundervollen Atmosphäre dieser Kirche wieder einmal hervorragend gelungen - Danke an alle Beteiligten vor und hinter den Kulissen, davon bitte mehr.

Musikalisch anspruchsvoll interpretierte das Sinfonische Blasorchester die Kompositionen "Aurora Borealis" von Rossano Galante und "Night Dances" von Bruce Yurko. Nach der Dunkelheit der Nacht brachen sich unter den Klängen von Stephen Mellilos "Into the Light of Day" feine Sonnenstrahlen Bahn. Sanft brach der Tag herein, bis im Glanz der mächtigen Sonne das Leben erblühte und sich die unterschiedlichsten Charaktere zusammenfanden, um gemeinsam zu Kevin Houbens "Dance into the Sun" mit reichlich Wein zu feiern.

Anschließend erklang die Komposition "Sheltering Sky" von John Mackey, bei der angesichts von so viel Lebensfreude, zurückgelehnt das Leben mit seinen wechselnden Stimmungen betrachtet werden konnte. Die gesamte Betrachtung mündete in der Lobpreisung der Schöpfung "Alleluia! Laudamus Te" von Alfred Reed, eine Hymne ohne Worte, wobei das Orchester primär als einziger massiver Chor fungiert.

Ein jeder hatte wohl an diesem Abend, inspiriert von den wunderbaren Klängen des Sinfonieorchesters und den magischen Nordlichtern, auch sein inneres Licht gefunden, ganz nach den Worten des bedeutenden persischen Mystikers Rumi:
"Suche das Licht nicht im Außen, finde das Licht in dir und lass es aus deinem Herzen strahlen"
Zu guter Letzt konnte das begeisterte Publikum sich nicht satthören an den exzellenten Darbietungen der Nottulner Sinfoniker. Nach zwei Zugaben endete ein wundervoll arrangierter Abend, durchdrungen von Musik und Licht. Das Publikum verabschiedete das Sinfonische Blasorchester Nottuln mit seinem Dirigenten Norbert Fabritius mit reichlich Applaus und Standing Ovation.

Als wir die Kirche verließen, bemerkten wir ganz hinten in der Turmkapelle zwei sitzende, vor Glück strahlende Nottulner, wobei ein ganz kleiner mitgebrachter Erdenbürger - ein neues Licht auf dieser Welt - wohl selig schlief. Selbst die Crescendos und nicht einmal die Forte fortissimos hatten ihm seinen seligen Schlaf rauben können.

Mit der nachfolgenden Bildergalerie und den ergänzenden Bildlegenden haben wir versucht, die wundervolle Stimmung des Abends einzufangen und für Sie zu konservieren. Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Betrachten.

Mit besten Grüßen
Ihre Redaktion

Karin und Jürgen Gerhard


"Wi küert Platt"

Es gibt im Leben noch Tage, da darf man sich frühmorgens schon freuen. Bei meinem allmorgendlichen Spaziergang durchs Nonnenbachtal, mit meinem treuen Gefährten Sir Trusty, musste ich doch tatsächlich zweimal hinschauen. Stand da doch plötzlich neben unserer Informationstafel eine weitere aus Metall mit der Inschrift: "Wi küert Platt".

Meine Frau und ich sind nicht gebürtig aus dem Münsterland und können leider kein Platt sprechen, hören es aber sehr gerne. Zudem wohnen wir bereits seit 37 Jahren im historischen Dorf Nottuln und begrüßen diese Aktion. Auf der oberen geneigten Platte des Schildes befinden sich übrigens vier Bohrlöcher, sodass wir vermuten, hier wird ein weiteres Schild angebracht, vielleicht mit einem kleinen wunderbaren Gedicht auf Platt wie dieses: 

 


Dat Pöggsken

Pöggsken sitt in'n Sunnenschien,
O, wat is dat Pöggsken fien
Met de gröne Bücks!
Pöggsken denkt an nicks.
Kümp de witte Gausemann,
Hät so raude Stiewweln an,
Mäck en graut Gesnater,
Hu, wat fix
Springt dat Pöggsken met de Bücks,
Met de schöne gröne Bücks,
Met de Bücks in't Water!

(von Augustin  Wibbelt, 1862-1947)

Es ist ein einmaliges, lustiges Gedicht, das überwiegend allen Bewohnern des Münsterlandes bekannt ist. Viele Münsterländer, zu denen wir uns auch zählen, würden sich sehr darüber freuen. Zudem haben gerade hier in den Feuchtwiesen mit mehreren kleinen Teichen viele Pöggsken ihr Zuhause. Und weil es hier so schön ist, wird auch das direkt hier vorbeiführende Ludgeruspättken stark begangen.

Ihre Redaktion
Karin und Jürgen Gerhard

Morgen ist 1. Advent

Ein kleines Federbündel verzaubert die Familie

Draußen herrscht eine trockene Kälte, ab und zu fallen ein paar Sonnenstrahlen durch die entlaubten Baumkronen. Endlich ein Tag, um das restliche Laub auf den Gartenwiesen zusammenzukehren. Vor ein paar Tagen hatte ich den Rasen zum letzten Mal in diesem Jahr geschnitten, sozusagen winterfest gemacht. Jetzt war der Boden gefroren, und ich kam erstaunlich gut mit dem Laubbesen voran.

Plötzlich, ich hatte gerade den ersten Laubhaufen zusammengekehrt, hörte ich ein leises Piepsen. Ein kleines aufgeplustertes Federbündel, eine junge Amsel auf dem Gartenzaun sitzend, schaute mich vertraut an. Vermutlich war es ein Exemplar derer, die täglich unser Futterhaus besuchten.
Doch dieses Mal hatte Bärbel, so heißen seit Jahrzehnten unseren weiblichen Amseln, offensichtlich etwas anderes im Sinn. Als ich innehielt, flog sie blitzschnell herunter und setzte sich auf den Laubhaufen. Dort angekommen, pickte sie genüsslich einen Regenwurm und etwas später eine Raupe heraus. Das war gerade jetzt bei winterlichen Temperaturen eine gute Abwechslung gegen das Körnerfutter, welches wir täglich unseren Vögeln im Futterhaus anbieten. Ich konnte ihr das gut nachfühlen, obwohl es im Sommer einen Schmetterling weniger geben wird.

Vermutlich hat sie, wie so viele ihrer Art, in unserem Garten das Licht der Welt erblickt. Eine hübsche Bärbel hatte ich nun an den Hacken, die mich durch den gesamten Garten verfolgte und meiner Arbeit sehr interessiert zuschaute. Und wenn es wieder mal so weit war, dann meldete sie sich mit ihrem jetzt schon etwas energischeren Piepsen und ich musste wieder mal eine Zwangspause einlegen.

Meine liebe Frau Karin war zwischenzeitlich in den Garten gekommen, um die Tanne neben der Terrasse mit Sternchen zu schmücken. Sie schaute sich das Schauspiel vergnüglich an. Da bin ich doch tatsächlich vom Regen in die Traufe gekommen, dachte ich so bei mir. Schließlich wollte ich noch vor dem Dunkelwerden fertig werden, und hatte deshalb unseren Jack Russel Sir Trusty, der mich gerne beim Laubrechen begleitet, im Haus gelassen. Schließlich war auch er ein kleiner Hemmschuh, legte er sich doch äußerst gerne ins zusammengekehrte Laub und verteilte es dann wieder im Garten.

Dagegen war Bärbel ein Glücksfall, war sie doch nur am Kleingetier interessiert. Und wenn ich ganz ehrlich bin, hatte ich meine Freude an diesem kleinen Federbündel. Man sagt ja, Tiere haben ein Gespür für gute Menschen und zu denen gehörte ich jetzt offensichtlich auch. An diesem Tag musste ich noch viele Pausen einlegen, doch Bärbel schaute nach Feierabend sehr zufrieden drein.

Übrigens, in unseren Anlagen, außerhalb des Rasens bleibt das Laub natürlich liegen, schließlich gibt es viele Vögel in unserem Garten. Doch Bärbelchen ist wieder mal eine ganz besondere Mitbewohnerin, die allseits für etwas Freude noch vor dem 1. Advent gesorgt hat.

Wir wünschen Ihnen und Ihrer Familie eine besinnliche und freudige Adventszeit.
(In der anschließenden Bildergalerie finden sie noch einige Amselbilder.)

Ihre Redaktion
Karin und Jürgen Gerhard

Seit Jahren bleiben die Lichter aus

Erinnern Sie sich noch: So sah vor einigen Jahren der historische Ortskern von Nottuln nach einsetzender Dunkelheit aus. Alle Kurien und die Alte Amtmannei wurden angestrahlt, ein herrlicher Anblick mit einer tollen Atmosphäre für Einheimische und Touristen.

Die Gemeindeverwaltung hatte sich noch unter der Regie von Bürgermeisterin Manuela Mahnke dazu entschlossen, die alten Strahler durch moderne LED-Strahler zu ersetzen - erst einmal keine schlechte Idee. Strom/Energie sparen ist schließlich überall angesagt und mit der neuen Technik sind sicherlich erhebliche Einsparungen möglich. Doch klang es damals so, als dass die Planung innerhalb eines Jahres umgesetzt werden sollte. Nun sind meines Wissens aber schon circa vier Jahre vergangen.

Als ich vor rund anderthalb Jahren bei meiner Recherche für unseren Bildband "Nottuln, ein starkes Stück Heimat" nachfragte, erfuhr ich, dass man an der Sache dicht dran ist, das klang zuversichtlich. Doch leider herrscht immer noch "Dunkelheit" im historischen Ortskern, außer an St. Martinus, die wunderbare spätgotische Hallenkirche wird weiterhin angestrahlt.
Damit es nicht auch in Zukunft wie in einem Märchen heißen muss: "Es war einmal ...", hat unsere Redaktion jetzt eine Anfrage an die Gemeindeverwaltung gestartet. Sobald wir Näheres hierzu erfahren, werden wir darüber berichten.

Nachtrag
Wie uns gerade vom Bürgermeister Dr. Dietmar Thönnes mitgeteilt wurde, ist der Auftrag so, wie politisch beraten und beschlossen, bereits vergeben und im ersten Quartal 2024 wird die gesamte Beleuchtung in Nottuln auf LED umgestellt.
Das ist erfreulich, erklärt aber nicht, warum die Außen-Beleuchtung der historischen Gebäude mehrere Jahre lang außer Betrieb genommen wurde. Die Umstellung auf LED-Strahler war auch schon vor Jahren möglich und sinnvoll, unabhängig von dem vor kurzem gefassten Beschluss für die gesamte Beleuchtung in Nottuln.
Wir hoffen nunmehr, dass insbesondere die Umstellung auf LED-Strahler ganz vornean gestellt wird, damit die historischen Gebäude in Nottuln endlich wieder in ihrem anheimelnden Licht erstrahlen können und somit auf ihre geschichtliche Bedeutung auch bei Dunkelheit hingewiesen wird. Ein Publikumsmagnet in den Abendstunden waren sie ohnehin und werden sie dann auch wieder sein.

Mit besten Grüßen

Ihre Redaktion
Karin und Jürgen Gerhard

 

 

...und was Sie schon immer über ihn wissen wollten!

Da steht er nun, der berühmte westfälische Baumeister Johann Conrad Schlaun (JCS), zwar nur in Bronze, aber immerhin an einer seiner wesentlichen Schaffensstätten, im historischen Ortskern von Nottuln. 

Nicht nur seine Wahlheimat Münster, sondern auch die Gemeinde Nottuln verdankt ihm einige seiner schönsten Bauten. Die als „Westfälische Sinfonie“ bezeichnete Bauweise – immer wieder setzte Schlaun Materialien wie Sandstein, roten Klinker und weiße, mehrfach unterteilte Fenster ein – findet sich auch in den Kurien von Nottuln wieder. Die Aschebergsche Kurie ist ein besonders gutes Beispiel dafür. Es entsteht ein harmonischer Eindruck, aber auch ein angenehmer Kontrast zwischen den verschiedenen Baumaterialien. Im Übrigen war Schlaun nachweislich an insgesamt acht Kurien in Nottuln beteiligt, von den heute noch vier im historischen Ortskern von Nottuln stehen.

Weitere Gebäude, wie die Alte Amtmannei und der Kirchturm von Sankt Martinus mit seiner Zwiebelhaube, sind ebenfalls von Schlaunscher Baukunst geprägt. Der bekannteste Barockbaumeister von Westfalen wurde am 5.6.1695 in Nörde im Fürstbistum Paderborn geboren und verstarb am 21.10.1773 in Münster. Die Bronzefigur vor der Aschebergschen Kurie wurde ihm zu Ehren zu seinem 300. Geburtstag errichtet.

Doch wollen wir Ihnen heute nicht nur einige Bauten von Johann Conrad Schlaun vorstellen, sondern unser Heimatforscher und exzellenter Schlaun-Kenner Hans-Peter Boer, der noch gestern auf Einladung des Schlaun Cirkels einen wunderbaren Vortrag anlässlich der Heimatpreisverleihung im Festsaal der Alten Amtmannei hielt, wird Ihnen seinen Lebensweg anhand von mehreren Fragen und Antworten (von uns ungekürzt und unverändert) auf seine interessante und humoristische Art und Weise näherbringen, getreu dem Motto:

"Was Sie schon immer über Johann Conrad Schlaun wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten"

1. War Schlaun ein ostwestfälischer Hinterwäldler?
Der ländlich/dörfliche Hintergrund ist klar: Die Familie des Vaters stammt aus Ahden, die der Mutter aus Schwaney. In beiden Fällen lassen sich aber ansehnliche Meierhöfe als Stammhäuser belegen, die zur regionalen bäuerlchen Upperclasse der Region zählen. Vater Henrich Schluen hat das Gymnasium in Paderborn vier Jahre lang besucht. Mutter Agnes Berendes hat neben drei Schwestern sieben Brüder, von denen vier ebenfalls in den Paderborner Schülerlisten auftauchen. Der jüngste, der Pate Johann Conrads, wird Jurist, der zweitälteste ist später Pastor in Körbecke. Diese Familie ist damals im Paderbornschen und darüber hinaus weit verbreitet, angesehen und begütert.

2. Und der Bildungshintergrund?
Es liegt nahe, die Grundlegung eines Bildungsinteresses im Elternhaus zu vermuten, wo der Vater, selbst ehemaliger Schüler eines Gymnasiums, Tag für Tag mit Schreib- und Rechenkram umzugehen hatte. Selbst wenn viele Rechtsfälle auch nur zu mündlicher Schlichtung anstehen, kann doch ein aufgewecktes Kind allerlei mitbekommen. Die Familie der Mutter bringt Juristerei und Theologie ein. Schreiben und Rechnen, Aktenführung und Verhandlung gehören auf dem Saal des Schluenschen Elternhauses zum Alltag. Kindlicher Nachahmungstrieb und Neugierde wachsen da, auch Lust am Gestalten.

3. Wie waren die Schluens in diesem Umfeld verortet?
Die Schluens stellen in Nörde und den anderen Dörfern etwas dar! Als Vertreter des Grundherren, des reichen und mächtigen Klosters Hardehausen, ist der Vater einflussreich, angesehen, vielleicht gar gefürchtet. Beliebt sicher nicht! Welcher Bauer schätzt schon den Steuereinnehmer? Somit ist die Rolle der Familie in diesem Umfeld auf Position und auf Aussonderung angelegt. Es steht zu vermuten, dass der junge Schluen von Jugend auf über ein gewisses Standesbewusstsein verfügte.4. Hat der junge Schlaun richtige Schulen besucht?
Nachgewiesen ist, dass Johann Conrad Schlaun zwischen 1706/07 und Herbst 1711 als Schüler des Theodorianums in Paderborn die klassischen Wissenschaften des Jesuitengymnasiums studiert. Dies bedeutet auch den längeren Abschied vom Elternhaus schon im Alter von etwa elf Jahren.

5. Begabt ja wohl, aber auch fleißig?
Der Schülerkatalog des ersten Schuljahres 1706/7 notiert über unseren Johann Conrad Schlaun nur knapp ein Gesamturteil "mittelmäßig", das von drei Prüfern einstimmig gefasst wird. Auch die Begabung des Jungen wird als "mittelmäßig" eingeschätzt, während Frömmigkeit und Beharrlichkeit mit der Bestnote "sehr gut" beurteilt werden. Seine Aufmerksamkeit ist indes "zweifelhaft" und für dieses Schuljahr wird gleich beschlossen: "retinendus" - muss sitzenbleiben! Die Wiederholung der Klasse im folgenden Jahr erbringt kein besseres Gesamtbild, außer dass Johann Conrad - wohl mit etwas Mühe - versetzt wird. Inzwischen haben sich die Prüfer auf die Ansicht festgelegt, sogar seine Begabung sei "zweifelhaft", während die Aufmerksamkeit auf "mittelmäßig" angestiegen sei. "Sehr gut" bleiben Frömmigkeit und Beharrlichkeit, Tugenden, die wohl sein ganzes Leben Bestand haben. Der schulische Erfolg bleibt jedoch- so die Voraussagen seiner Lehrer - zweifelhaft. Er bleibt es wirklich! Der junge Schlaun scheitert drei Jahre später in der Klasse der Rhetorik. Im Jahrgang 1712 taucht er denn auch als "Joann Conrad Schlun Nördens(is)" in der Liste der "Nomina Deficientium", der mangels Leistung abgehenden Schler auf.

6. Was macht man mit dem Bengel?
Man schickt ihn mit 15 Jahren zum Militär. Wahrscheinlich hatte sich der Junge längst praktischen Tätigkeiten und Interessen zugewandt. Das Ingenieurwesen war im 18. Jh. noch entscheidend mit der Offizierslaufbahn verbunden. Wie aber kommt Schlaun in ein Regiment und zum Einstieg in die Offiziersausbildung? Die Mittel des Vaters reichen kaum aus, ihn dort einzukaufen. Hat er vielleicht schon einen Mäzen gefunden? Aus dem Jahre 1713 ist bezeugt, dass Johann Conrad auf ein bestimmtes Fach hinzielt: die Baukunst. Unter dem 7. Dezember dieses Jahres notiert der Hardehausener Abt Stephan Overgaer, er habe dem Richter zu Nörde 30 Reichsthaler (Rth) geliehen, " (...) welche er umb seinen sohn in der bawkunst weiter instruiren zu lassen hat anwenden wollen." Die Ausbildung fand in Hannover und Hildesheim statt, ziemlich sicher ist ein Aufenthalt Schlauns in Dresden.

7. Was war denn Schlauns erstes gesichertes Bauprojekt?
1715 wird Schlaun mit 20 Jahren Offizier des Hochstifts Paderborn. Franz Arnold von Wolff-Metternich, Fürstbischof von Paderborn, vermittelt Schlaun den ersten größeren Auftrag, den Neubau der von ihm gestifteten Kapuzinerkirche St.Franziskus und St.Kilian in Brakel. Diese Arbeit hat der junge Baumeister vor allem mit dem Orden abzustimmen. Aus unterschiedlichen Ansichten ergibt sich ein interessanter Disput. Hat Schlaun eine reicher gegliederte Front gezeichnet, beharrt der Orden getreu seiner Linie auf einer schlichteren Gestaltung - und setzt sich durch. Selbstbewusst schreibt der 20jährige Schlaun dagegen: "Ich habe in der Frömde Capuzinerkirchen gesehen, die noch besser herauskommen als hier."

8. Was war mit Clemens August von Wittelsbach?
Der 1700 geborene bayrische Prinz wird 1719 zum Bischof von Münster und Paderborn gewählt, am Ende ist der Herr von Fünfkirchen, denn die Mitren von Hildesheim, Osnabrück und das Erzbistum Köln kommen noch dazu, ferner 1732 das Amt des Hoch- und Deutschmeisters. Clemens August war gut ausgebildet, künstlerisch begabt und interessiert und das Urbild eines Rokokofürsten. Natürlich war er vom Bauwurm befallen und brauchte einen eigenen Architekten: Dieser Günstling wurde unser Johann Conrad Schluen. Der muss aber noch Erfahrungen sammeln.

9. Wohin führt Schlauns Grand-Tour?
Wer anders als der Kurfürst finanziert die etwa drei Jahre umfassende Bildungsreise Schlauns? Sie ist ein Projekt mit dem klaren Ziel, den im Ausland geschulten Architekten dann an die großen Staatsaufträge heranzuführen. Bereits im Herbst 1720 ist der Westfale in Würzburg, wo man gerade dabei ist, die Fundamente für die große Residenz auszuheben, Realisierung Balthasar Neumann übertragen wird. Aus dem Jahre 1721 gibt es keine Quellen über Schlauns Verbleib. Er wird den größten Teil dieses Jahres in Rom gewesen sein. Die Einflüsse aus dieser Stadt werden ihn sein Leben lang nicht loslassen: Der Glanz der Hauptstadt der katholischen Welt, Liturgie und Kirchenmusik, Theater und Oper, Malerei und Plastik, Plätze und Brunnen, Straßen und Brücken, Landschaft und Menschen, Licht und Lebensgefühl des Südens - wie der Wein aus den Castelli Romani. Im Frühling 1722 verlässt Schlaun die Ewige Stadt wieder. Er reist - wie er selbst ausdrücklich bezeugt - nach Paris. Schlaun kommt zu einer fruchtbaren Zeit; gerade werden in den Stadtpalais des Adels der Weltstadt die neuen Formen der Regence-Architektur lebendig. Zeichnungen aus der französischen Hauptstadt hat Schlaun aber leider nicht hinterlassen. Die Heimreise geht über Flandern. Den Kopf und die Koffer gefüllt mit Impressionen und Plänen, Skizzenmappen und Stichwerken kehrt Schlaun zurück und trifft am 19. März 1723 wieder in Münster ein. 28 Jahre ist er nun alt, ein für die Verhältnisse der Zeit gebildeter, weltläufiger Mann, der bereit ist, neue Aufgaben zu übernehmen. Und wie erging es ihm privat?

10.Hatte Schlaun ein Familienleben?
Schlaun wird zweimal heiraten. Nach Rückkehr von der Grand Tour tritt er 1725 mit Maria Catharina Bourel, der ein Jahr jüngeren Tochter eines angesehenen Kölner Ratsherrn vor den Traualtar. Aus der ersten Ehe sind drei Kinder bezeugt: Clemens August (1729), Anna Maria (1730) und Maria Magdalena (1734); von diesen kommt jedoch nur die ältere Tochter Anna Maria, die spätere Frau Schatzrätin Schilgen, in das Erwachsenenalter. Die Mutter Maria Catharina ist am 21. November 1738 in Münster verstorben. Der Witwer heiratet 1740 wieder: Er tritt am 25. November, am Catharinen-Tag, in Eupen mit Anna Catharina Rehrmann, Tochter des dortigen Färbers Martin Rehrmann, vor den Traualtar. Die Braut ist am 28. Januar 1709 in Eupen geboren und mit dem Ehemann weitläufig über die Paderborner Rehrmanns verwandt. Mit seiner zweiten Frau lebt Schlaun in Münster; sie bringt im Laufe weniger Jahre mindestens vier Kinder zur Welt: Martin Conrad (1741), Gerhard Mauritz (1742), Maria Anna (1743) und Maria Antonia (1745).. Für die eigene Familie plant und baut Schlaun zwischen 1745 und 1749 das Rüschhaus als Sommersitz.

11. Schluen / Schlaun ein Parvenu?
Inzwischen nennt unser Schlaun sich tatsächlich „Schlaun“ und gibt die niederdeutsche Namensform „Schluen“ - mit dem Dehnungs-e – dauerhaft auf. Über der Tür zum Gartensaal des Rüschhauses, mit herrschaftlichem Anspruch und unter einer Laubkrone lässt Johann Conrad Schlaun ein Allianzwappen anbringen, das heraldisch rechts drei in Form des Schächerkreuzes gestellte Lindenblätter zeigt. Eigentlich hat der Hausherr auf dieses Wappen einer alten rheinischen Familie Schlaun keinen Anspruch. An diesem Ort jedoch will er sich verwirklicht sehen. Heraldisch links taucht das springende Reh der Rehrmanns auf, der Familie seiner zweiten Frau.

12. Schlaun als Chef?
Er war ein Arbeitsstier. Wenn man von einem „Büro Schlaun“ spricht, sind damit vielleicht zwei oder drei Kräfte gemeint. Gearbeitet wird zuhause, auch an Sonntagen, auch bei einem Riesenprojekt wie dem Schlossbau zu Münster nach 1767. Schlaun ist temperamentvoll, standesbewusst, drängend in der Arbeit. Manchmal gehen ihm die Nerven durch. So in einem Streit beim Schlossbau in Ahaus. In Münster entdeckt er einmal eine Viehmagd, die entgegen dem Verbot die ihr anvertrauten Tiere auf den Hängen des Stadtwalls und am Ufer des Stadtgrabens weiden lässt. Er nimmt dem Mädchen die Rute weg und verprügelt es. Es ist wohl kein Zufall, dass er um 1770 einen Schlaganfall erleidet, für den er im Aachener Bad Heilung erhofft. Andererseits: Er kümmert sich in erhaltenen Eingaben geradezu rührend um „seine“ Männer und ihre Familien, bemüht sich um Kranken- und Altersversorgung, ganz im Sinne der Verantwortung eines Offiziers.

13. War Schlaun Alkoholiker?
Die uns allen bekannte rote Nase des westfälischen Erzbaumeisters muss nicht auf einen Alkoholabusus zurückweisen. Es kann auch eine Rosea-Erkrankung gewesen sein. Dass unser Johann Conrad mal gerne einen getrunken hat, wissen wir. Er führte auch auf seinen Dienstfahrten einen „Weinkeller“ mit sich, wahrscheinlich ein Getränkekühler aus Blech. Und dies sei auch gesagt. Er kannte die Castelli Romani. Die meisten Besucher Roms aus Deutschland fahren ja nach Frascati, mit den bekannten Folgen! Mein Rat: Handeln Sie wie Schlaun! Lassen Sie Frascati links liegen! Fahren Sie zum Nemi-See hoch und nach Ariccia, bewundern Sie Berninis Marien-Kirche – Vorbild u.a. für St. Clemens in Münster -, setzen Sie sich in die Sonne, genießen Sie den lokalen Wein wie den weiten Blick in die Campagna und bis zum Tyrrhenischen Meer. Dann versteht man, was ein barocker Architekt wie Schlaun wollte: Das Licht des Südens in unsere Heimat des Regens bringen. Kein Wunder: Es war Fabio Chigi, Gesandter beim Friedenskongress zu Münster und später Papst Alexander VII., dessen Familie Ariccia als Sommersitz erwarb . Bernini und sein Schüler Fontana schufen Palast und Kirche. Und Schlaun kupferte ab.

14. Begräbnis & Erbschaft?
Schlaun starb am 21. Oktober 1773 „in den Sielen“. Durch Zufall fand ich vor Jahren sein letztes Handzeichen in einer Akte: Anfang September, wenige Wochen vor seinem Tod. Die Beisetzung in der Überwasserkirche war standesgemäß und teuer: 823 Rth, also acht Jahresgehälter eines mittleren Dorfschulmeisters. Schlaun starb als reicher Mann. Er war zeit seines Lebens ein guter Wirtschafter und zählte zu den 50 wohlhabendsten Personen im Oberstift Münster. Allein der Geld-Anteil der Tochter Anna Catharina aus dem väterlichen Erbe beträgt 19.358 Rth. Alles wird unter den vier Geschwistern verteilt und viele Zusammenhänge werden zerrissen. Allein dem treuen Zeichner Schlauns, Güding, ist zu verdanken, dass er in drei Bänden die hinterlassenen Zeichnungen des Büros aufhebt und sichert. Sie liegen heute im Landesmuseum und bilden eine gewichtige Forschungsgrundlage. Schlaun wird nach seinem Tode alsbald vergessen. Jahrzehnte später erinnert man sich, dass er um 1770 die berühmten Münsterschen Dachpfannen als Norm-Entwurf geschaffen hat. Nun sucht man die alten Formen und preist den Nutzen dieser Schlaunschen Erfindung. Der große Kunsthistoriker Lübke preist um 1860 die gotische Halle von bSt. Martin zu Nottuln, aber: „Der Turm ist leider verzopft!“.

Die Möglichkeit, dass Träume wahr werden können, macht das Leben erst interessant (Paulo Coelho)
Wir danken Hans-Peter Boer ganz herzlich für diesen Beitrag und wünschen dem "alternden" Schlaun-Forscher, dass sein Wunsch nach Schloss Bezanec in Valentinovo, nahe Pregada in Kroatien zu fahren, in Erfüllung geht. Dort lebte nämlich bis 1945 die Freiherrliche Familie von Ottenfels-Gschwind, die Nachfahren von Gerhard Mauritz Schlaun, des Sohnes unseres Johann Conrad. Der hochrangige österreichische Offizier erbte einen beträchtlichen Teil des Vermögens, darunter – er war der einzige Fachmann unter den Geschwistern - wahrscheinlich die eher militärischen und fachlichen Erinnerungsstücke.
Nun ist es seit Jahrzehnten Boers Traum, dort oder im Archiv zu Zagreb das römische Skizzenbuch Schlauns zu finden. Das wäre wirklich ein grandioser Abschluss seiner seit Schülertagen nun schon über 60 Jahre tobenden Leidenschaft.
Vielleicht fährt ja jemand mit Hans-Peter Boer gemeinsam dorthin, damit er dort endlich seinen Traum verwirklichen kann? Schon die Anreise wäre sicherlich sehr interessant, denn an spannenden Geschichten mangelt es dem Heimat- und Schlaun-Forscher nun wirklich nicht.

Anmerkung: Die nachfolgende Bildergalerie wird noch mit weiteren Fotografien und Textlegenden ergänzt.

Ihre Redaktion 
Karin und Jürgen Gerhard

Da muss man 100 Jahre alt werden, damit der Landrat kommt ...

hatte scherzhafterweise die Jubilarin im Vorfeld des Besuches angemerkt. Doch der Landrat Dr. Christian Schulze Pellengahr kam gerne, gratulierte Frau Marietheres Wübken ganz herzlich zu ihrem 100. Geburtstag und unterhielt sich anschließend ausgiebig mit einigen ihrer zahlreich erschienenen Lebensweggefährtinnen und Gästen.

"Es ist hier wie in einer großen Familie, alle reden miteinander" merkte etwas später ein Gast an. Und tatsächlich, es herrschte viel Harmonie und gute Laune beim Kaffee trinken und Kuchen essen. Und dieser war in mehreren leckeren Varianten von den Nachbarn - selbst gebacken - mitgebracht worden. Besonders die Jubiläumstorte hatte es in sich und fand reißenden Absatz. Es kursierte das Gerücht: "Wer von dieser Torte isst, wird ebenfalls 100 Jahre alt." Das sind gute Aussichten, dachten auch wir von der Redaktion und haben sie natürlich nicht ausgelassen.

Die Jubilarin, übrigens weit über die Grenzen der Gemeinde Nottuln hinaus bekannt, musste allerdings erst einen "kleinen" Empfangsmarathon bewältigen, doch das tat sie mit der von ihr bekannten Herzlichkeit und einem Schuss Humor. Viele Lebensweggefährtinnen, die trotz Ihres Alters ebenfalls einen rüstigen Eindruck machten, ließen es sich nicht nehmen, nette Geschichten über Erlebnisse mit der Jubilarin zu erzählen und dazu ganz persönliche Erinnerungsstücke vorzustellen. Es wurde herzlich gelacht und gemeinsam das Lied angestimmt: "Viel Glück und viel Segen auf all deinen Wegen ...! Und wie sehr der Text passte, hatte Frau Wübken an ihrem 100. Geburtstag doch bestens bewiesen. Selbst an diesem Ehrentag hatte sie es sich nehmen lassen, ihren alltäglichen Weg durch die Kreithecke zu absolvieren.

Diesen Weg ist Marietheres Wübken in der Vergangenheit sehr oft gelaufen und es kam eine Summe von rund 80.000 € für die Hilfsorganisation Mary's Meals zusammen. Den Betrag wollte sie gerne weiter aufstocken und verzichtete deshalb auf Geburtstagsgeschenke. Stattdessen bat sie um Spenden für die Hilfsorganisation, die jeden Tag dafür sorgt, dass hungernde Schulkinder ein warmes Mittagessen bekommen.
Ihre Nachbarin und zweite Vorsitzende von Mary's Meals Deutschland, Ingrid Schürmann, hat extra eine Spendenseite im Internet unter www.betterplace.org eingerichtet, bei der unter dem Stichwort "Alles Gute zum 100. Geburtstag, Frau Wübken!" gespendet werden kann. Einige Spenden wurden bereits diskret per Briefumschlag oder direkt in einen dafür aufgestellten Behälter im Pfarrheim hinterlegt.

Doch zurück zu den unterhaltsamen Geschichten, von denen auch unser Pfarrdechant Norbert Caßens, dessen Gottesdienst die Jubilarin regelmäßig besucht, eine zum Besten gab - wir wollen sie Ihnen nicht vorenthalten. Es war seine erste Begegnung mit Frau Wübken, seiner Nachbarin, aber eine so nachhaltige, dass er sich heute noch gut daran erinnert.
Caßens war erst zwei Tage in Nottuln, als er früh morgens über den Kirchplatz ging. Plötzlich hörte er hinter sich eine Stimme vorwurfsvoll rufen: "Wenn das der Pfarrdechant sieht!" Erst jetzt bemerkte Caßens, dass er nicht den offiziellen Weg benutzt hatte, sondern querfeldein über die grüne Wiese gelaufen war. Ja, damals herrschten noch strenge Sitten und Bräuche. Ob der dann erwischte und das Amt des Pfarrdechanten angetretene Norbert Caßens sich kurz darauf noch einmal getraut hat, über die gepflegte Wiese zu laufen, ist nicht bekannt. Schließlich hätte seine Nachbarin nur aus dem Fenster schauen müssen, um ihn noch einmal dabei zu ertappen.

So klang langsam, wie von allen Anwesenden empfunden, ein wunderbarer Nachmittag im Pfarrheim aus. Ob allerdings der Landrat Frau Marietheres Wübken am 101. Geburtstag ebenfalls persönlich gratulieren wird, konnten wir bisher nicht in Erfahrung bringen, schön wärs!

Wir wünschen Ihnen viel Freude mit der nachfolgenden Bildergalerie und ein erholsames Wochenende.

Ihre Redaktion
Karin und Jürgen Gerhard

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