Blickpunkt Nottuln
18.05.2024
Blickpunkt Nottuln
Da sitzt er nun, der "Herr der Blätter", Sir Trusty, mitten in seinem goldgelben Reich
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Büttners rot-gelbe Knorpelkirsche erfreut nicht nur uns, sondern hauptsächlich die Vogelwelt. Nach dem Motto "Amsel, Drossel, Fink und Star, alle Diebe sind schon da", flogen Sie in unseren Garten ein und hinterließen reichlich Kirschsteine unter unserem Kirschbaum
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Sir Trusty, auch Trastl genannt, hatte schon immer außergewöhnliche Sitz- und Liegeplätze
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Andererseits ist Trastl ein fleißiger Erntehelfer ... oder hat er den Apfel gerade geklaut? Wir nehmen mal zu seinen Gunsten das Erstere an

Der Herr der Blätter

Ein Kirschbaum begleitet Mensch und Tier übers Jahr

Da sitzt er nun, der Herr der Blätter, ein selbstbewusster Terrier namens Sir Trusty mitten in seinem goldgelben Paradies. Jeden Herbst spielt sich das gleiche Schauspiel in unserem Garten ab, wir arbeiten und kehren das Laub zusammen und er annektiert es als sein Eigentum.

Doch fangen wir von vorne an. In unserem Garten stehen drei Obstbäume. Der größte ist mit Abstand eine Süßkirsche, sie überragt unser Haus um ein Weites. Im Frühjahr leuchten auf ihren Ästen Tausende weiße Blüten, insbesondere nachts eine wahre Pracht! Vorbeikommende Spaziergänger sind jedes Jahr begeistert von diesem Anblick.
Auf den schneeweißen Blüten tummeln sich tagsüber ganze Bienenvölker und laben sich an ihrem Nektar. Ganz nebenbei bestäuben sie noch die  Blüten. Das ist auch bitter nötig, denn im nahen Umkreis ist keine weitere Süßkirsche zu finden, die unseren Baum durch Wind bestäuben könnte. Die meisten Süßkirschen in unserer Siedlung wurden schon nach rund 30 Jahren Lebenszeit entfernt. "Die machen nur Dreck" hörten wir so manch einen im Herbst fluchen.

Kurz nach der Blüte bilden sich herrliche Süßkirschen, die sich langsam rotgelb einfärben. Doch so etwas Leckeres hat natürlich auch ganz viele Freunde. Nach dem Motto "Amsel, Drossel, Fink und Star, alle Diebe sind schon da", flogen Sie in unseren Garten ein und hinterließen reichlich Kirschsteine unter unserem Kirschbaum. Großzügigerweise verzichteten sie auf ein paar Exemplare. Aber was solls, "der liebe Gott hat nicht nur für uns den Tisch gedeckt".
Und so verging die Zeit, mittlerweile hatte sich ein dichtes Blätterdach auf dem Kirschbaum gebildet und spendet uns im heißen Sommer reichlich Schatten. Unter dem dichten Blätterdach genießen wir in einem äußerst angenehmen Klima fast jeden Sonntag unseren Kaffee oder Tee mit Kuchen. Früher geschah das immer mit "unserer Mutter", die leider ihre letzten zehn Jahre im Rollstuhl saß, somit war jeder Sonntag bei uns Muttertag. Sehr gerne erinnern wir uns an die gemeinsam verbrachten Nachmittage unter unserem Familienbaum zurück. Es war eine wunderbare Zeit mit guten und anregenden Gesprächen. Mutter war halt mit Leib und Seele Lehrerin mit vielen Begabungen, einem breit gestreuten Wissen und einem großen Herzen gesegnet.

Seitdem hat unser Kirschbaum ein Karma, das ihn unantastbar macht, auch wenn seine Äste schon weit übers Haus hinauswachsen. Da kann im Herbst noch so viel Laub auf unseren Rasen fallen, geduldig kehren wir es alle paar Tage mit Laubbesen zusammen. Doch ein Schauspiel wiederholt sich wie bereits angekündigt jedes Jahr, und das hängt mit unserem Jack Russel Sir Trusty, auch Trastl genannt, zusammen. Kaum ist der große Laubhaufen zusammengekehrt, setzt sich der kleine Kerl mitten rein und betrachtet ihn von nun an als sein persönliches Eigentum! Durch nichts ist er zu bewegen, sein goldenes Reich zu verlassen. Die Entsorgung gestaltet sich dann äußerst schwierig, denn der Herr der Blätter nimmt seine sich selbst gestellte Aufgabe akribisch wahr.
Doch recht bald fiel uns dazu eine passende Lösung ein: Wir kehrten das Laub zu mehreren kleinen Haufen zusammen, schließlich kann er ja nicht zur gleichen Zeit auf allen liegen. Übrigens hatte Trastl schon immer die Angewohnheit, sich ungewöhnliche Sitz- und Liegeplätze auszusuchen. Schon als kleiner Welpe bevorzugte er bepflanzte Blumentöpfe als Ruheplatz. Wir nahmen ihm das nicht übel, sah er doch recht putzig darin aus (siehe linkes Bild).

Doch auch ein schöner Herbst geht vorbei und plötzlich steht der Winter vor der Tür. Das Sitzen unter dem Kirschbaum hat ein jähes Ende. Aber auch in der kalten Jahreszeit leistet er uns uns gute Dienste, denn jetzt trägt er wie jedes Jahr hoch oben im Geäst unseren Weihnachtsstern. Aus Vierkantrohr habe ich ihn vor Jahren selbst zusammengeschweißt und mit Tannengrün und einer Lichterkette umwickelt. Jetzt strahlt er zur Advents- und Weihnachtszeit ein warmes Licht aus und ist schon von Weitem aus sichtbar.

Viele ältere Menschen aus der Wohnanlage nebenan oder von unten aus dem Dorf kommend, berichten uns freudig, wie schön der Stern doch leuchtet und ihnen den Weg nach Hause weist. Ach ja, wir sollen ihn noch recht lange in dieser dunklen Zeit leuchten lassen, bitten sie uns regelmäßig. Und daran halten wir uns auch, jedes Jahr, denn es sind nur LEDs, die dort leuchten und kaum Strom verbrauchen. Weihnachten bleibt nun mal Weihnachten auch in dieser sehr bewegten Zeit. So begleitet der Kirschbaum nicht nur uns, sondern auch viele andere Menschen durch alle Jahreszeiten. Und da sag uns noch jemand "Große Bäume machen nur Dreck".

Wir hoffen, diese kleine Geschichte, die sich Gott sei Dank jedes Jahr wiederholt, hat Ihnen gefallen.

Ihre Redaktion
Karin und Jürgen Gerhard